Wenn Unternehmen agiler, innovativer oder selbstorganisierter werden wollen, beginnt die Diskussion oft mit Tools und Methoden. Es geht um neue Prozesse, Frameworks und technologische Lösungen. Was dabei oft übersehen wird: Das eigentliche Hindernis liegt nicht im Neuen, sondern im Alten – genauer gesagt im tayloristischen Denkmodell, das tief in vielen Organisationen verankert ist.
Die sogenannte “Taylor-Wanne” beschreibt dieses Phänomen bildlich: Obwohl Unternehmen an der Oberfläche modern agieren, folgt ihr Betriebssystem noch immer den Prinzipien von Frederick Winslow Taylor – dem Vater des wissenschaftlichen Managements.
Was meint Taylorismus?
Taylor propagierte Anfang des 20. Jahrhunderts ein Organisationsprinzip, das auf Effizienz, Arbeitsteilung, Kontrolle und Standardisierung setzte. Denken und Handeln wurden getrennt: Oben wird geplant, unten wird ausgeführt. Der Mensch wurde zur Ressource, der Prozess zur Maschine.
Viele der heutigen Managementstrukturen sind bis heute von diesem Denken geprägt – auch wenn sie sich längst nicht mehr für die heutigen Herausforderungen eignen. Denn in komplexen, dynamischen Umfeldern braucht es nicht Gehorsam, sondern Urteilsvermögen. Nicht Vorgaben, sondern gemeinsame Orientierung. Nicht Kontrolle, sondern Vertrauen.
Wie sich die Taylor-Wanne zeigt
Organisationen scheinen nach außen agil – mit Scrum-Teams, Design Thinking Labs oder Kanban Boards. Doch unter der Oberfläche bleibt vieles beim Alten: Silodenken, Mikromanagement, Jahresziele, Budgethierarchien, KPI-Fetisch. Es entsteht eine Wanne: oben Neues, unten Altlasten.
Das Ergebnis: Frust, Zynismus und Veränderungsmüdigkeit. Mitarbeitende erleben, dass man zwar retrospektiv sprechen darf, aber keine echten Entscheidungen treffen kann. Oder dass man Innovationen testen soll, aber jeden Fehler sofort rechtfertigen muss.
Relevanz für die Transformation Discovery Map
Die Taylor-Wanne ist kein Randphänomen, sondern ein zentrales Muster in Transformationsprozessen. Sie betrifft alle Dimensionen der Discovery Map:
- In Dynamik-robuster Organisation verhindert sie strukturelle Lernfähigkeit.
- In Systemwirksamer Führung zeigt sie sich als Steuerungsreflex statt Kontextgestaltung.
- In Reaktionsfähiger Strategie bremst sie Anpassungsfähigkeit durch Planungsdogmen.
- In High Impact Teams untergräbt sie Selbstverantwortung durch implizite Kontrolle.
- In Adaptive Innovation sabotiert sie mutige Experimente durch alte Bewertungslogik.
Kurz: Solange die tayloristische Logik unangetastet bleibt, bleiben neue Methoden oft wirkungslos.
Was hilft gegen die Taylor-Wanne?
Nicht ein radikaler Umbau, sondern ein kluges Entlernen. Es braucht Räume für Reflexion: Wo handeln wir noch wie im Industriezeitalter? Welche Entscheidungen folgen alten Mustern? Welche Annahmen über Führung, Arbeit und Verantwortung prägen unser Handeln?
Systemisch arbeiten heißt, die tieferliegenden Muster zu erkennen – und gezielt zu irritieren. Das beginnt bei Sprache, setzt sich fort in Strukturentscheidungen und zeigt sich in der Haltung von Führung.
Fazit: Transformation beginnt im Kopf
Die Taylor-Wanne ist kein Fehler im System. Sie ist das System, das wir über Jahrzehnte aufgebaut haben. Wer heute Transformation ernst meint, muss den Mut haben, diese alte Logik zu hinterfragen. Denn erst wenn die Wanne kippt, entsteht echte Bewegung.
Zum Nachdenken: Wo zeigt sich in deiner Organisation die Taylor-Wanne – und wie könnte ein erster Schritt zur Irritation aussehen?